Monkey Business
Hinweis: Dieser Beitrag ist auch als Podcast verfügbar sowie auf Englisch und Französisch. Wir danken dem luxemburgischen Magazin Expressis-Verbis für die Übersetzungen.
Bill Gates hat seine Vorstellungen zur Pandemiebekämpfung in einem Buch veröffentlicht, das Anfang Mai erschienen ist. Er fordert darin ein internationales, 3.000 Personen umfassendes schnelles Eingreifteam, das neue gefährliche Erreger aufspüren und dann die Reaktionen der Regierungen auf die erkannte Gefahr anleiten soll. Der Milliardär rechnet mit Kosten für das Team in Höhe von 1 Milliarde Dollar pro Jahr. Bezahlen sollen das die Regierungen, die ansonsten aber wenig zu sagen haben, da das Team, laut Gates, von der WHO koordiniert werden soll – also der Organisation, die von Gates selbst maßgeblich mitgelenkt wird. Seine Stiftung war zuletzt zweitgrößter Geldgeber.
Gates hat bereits einen Namen für dieses Team: GERM (Global Epidemic Response and Mobilization Team). Ein Wortspiel, das englische Wort „germ“ bedeutet Keim. Der Milliardär stellt es sich so vor:
„Die Krankheitsüberwachungsexperten des Teams würden nach möglichen Ausbrüchen suchen. Sobald sie einen entdecken, sollte GERM in der Lage sein, einen Ausbruch zu erklären und mit den nationalen Regierungen und der Weltbank zusammenzuarbeiten, um sehr schnell Geld für die Reaktion zu sammeln. Experten für Produktentwicklung würden Regierungen und Unternehmen zu den Arzneimitteln und Impfstoffen mit der höchsten Priorität beraten. Menschen, die Computermodellierung verstehen, würden die Arbeit von Modellierern auf der ganzen Welt koordinieren. Und das Team würde helfen, Reaktionen zu entwickeln und zu koordinieren, zum Beispiel wie und wann Grenzschließungen umgesetzt und die Verwendung von Masken empfohlen werden.“
Eine internationale Organisation in indirekter Abhängigkeit von Gates soll also über Maßnahmen wie Lockdowns in einzelnen Ländern mitentscheiden dürfen. Die WELT merkt dazu an:
„Demokratische Institutionen kommen in Gates Plan nicht vor, das Wort 'Parlament' taucht im ganzen Buch genau ein Mal in einer Fußnote auf (…) Für Gates sind das alles nur organisatorische und technische Fragen, die von Experten administriert und umgesetzt werden können.“
Passendes Timing
Gates´ 300 Seiten starkes Buch erschien am 3. Mai zeitgleich auf Englisch, Deutsch, Französisch und Italienisch. Sachbücher dieser Art haben üblicherweise einen Vorlauf von mindestens einem Jahr, von der Idee und den Vertragsverhandlungen mit dem Verlag, über die Recherche, das Schreiben, das Lektorat und die Produktion bis hin zur Planung der Marketing-Kampagne. Das ist insofern von Bedeutung, als der Veröffentlichungstermin des Buches zeitlich zu der in diesen Tagen anstehenden Beratungen zur Verschärfung der „Internationalen Gesundheitsvorschriften“ passt. Diese Beratungen finden vom 22. bis 28. Mai beim Jahrestreffen der WHO in Genf statt und dort geht es im Wesentlichen um das Gleiche wie in Gates´ Buch: eine stärkere zentrale Kontrolle der Pandemie-Bekämpfung bei gleichzeitiger Schwächung nationaler Souveränitäten.
Silvia Behrendt, ehemalige Rechtsberaterin des Sekretariats für Internationale Gesundheitsvorschriften (IHR – International Health Regulations) bei der WHO, erklärt aktuell dazu:
„Die von den USA vorgeschlagenen Änderungen zu Artikel 12 der IHR werden zum einen die Exekutivbefugnisse des WHO-Generaldirektors zur Ausrufung globaler notstandsähnlicher Situationen erheblich ausweiten und zum anderen diese Befugnis weiter zentralisieren, indem die Notwendigkeit einer Konsultation und Einigung mit dem jeweiligen Vertragsstaat entfällt. (…) Durch die Streichung der Formulierung ‚auf Ersuchen des Vertragsstaates‘ und die Ersetzung von ‚kann‘ durch ‚soll‘ wird die von der WHO einem Staat angebotene Unterstützung bei der Reaktion auf Risiken für die öffentliche Gesundheit zum Regelfall. Nimmt ein Staat ein solches Hilfsangebot nicht innerhalb von zwei Tagen an, muss er dies gegenüber allen anderen WHO-Mitgliedsstaaten rechtfertigen, indem er die ‚gesundheitspolitischen Gründe für die Ablehnung‘ darlegt, was weitreichende wirtschaftliche und finanzielle Konsequenzen für den ablehnenden Staat nach sich ziehen kann.“
Die Verschärfung der Internationalen Gesundheitsvorschriften steht in engem Zusammenhang mit den Verhandlungen zu einem internationalen Pandemievertrag, dessen Schaffung erstmals im März 2021 öffentlich vorgeschlagen wurde. 26 Staats- und Regierungschef sowie die Präsidenten des Europäischen Rates und der Generaldirektor der WHO hatten damals einen gemeinsamen Aufruf formuliert, in dem es hieß:
„Wir sind der Ansicht, dass die Nationen (…) gemeinsam auf einen neuen internationalen Vertrag über Pandemievorsorge und -reaktion hinarbeiten sollten. Eine solche erneuerte gemeinsame Verpflichtung wäre ein Meilenstein bei der Verbesserung der Pandemievorsorge auf höchster politischer Ebene. Der Vertrag würde auf der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation fußen und andere einschlägige Organisationen miteinbeziehen, die für dieses Vorhaben von entscheidender Bedeutung sind, um den Grundsatz der Gesundheit für alle zu fördern. Die bestehenden globalen Gesundheitsinstrumente, insbesondere die Internationalen Gesundheitsvorschriften, würden einen solchen Vertrag untermauern und eine solide und erprobte Grundlage schaffen, auf der wir aufbauen und die wir verbessern können.“
Die US-Regierung hatte sich zunächst im Hintergrund gehalten und gehörte nicht zu den Unterzeichnern des Aufrufs. Doch die nun Ende Mai 2022 stattfindenden WHO-Beratungen zur Verschärfung der Internationalen Gesundheitsvorschriften – inklusive der Schwächung nationaler Souveränitäten im Pandemiefall – wurden ausdrücklich von den USA lanciert.
In den Medien kommt das Thema derweil kaum vor. Eine Ausnahme ist ein Artikel in der WELT von vergangener Woche, in dem die Autoren ausdrücklich die fehlende politische Diskussion dieser Planungen bemängeln:
„Eine Debatte zum Thema hat in der Öffentlichkeit bislang nicht stattgefunden. Und weder im Gesundheitsausschuss des Bundestags noch im Auswärtigen Ausschuss oder dem Unterausschuss Globale Gesundheit war die Abstimmung bislang Thema. Abgeordnete verschiedener Fraktionen, mit denen WELT AM SONNTAG sprach, gaben sich recht ahnungslos, unterstrichen bloß die Notwendigkeit von Veränderungen. Mehr Viren-Überwachung, mehr Koordination.“
„Übergeordnetes Ziel“
Unmittelbar vor den WHO-Beratungen trafen sich am 19. und 20. Mai bereits die Gesundheitsminister der G7 in Berlin. Im Abschlusskommuniqué des Treffens heißt es, etwas versteckt und in umständlicher Technokratensprache:
„Wir bekräftigen erneut unsere Unterstützung des Beschlusses der Sondersitzung der Weltgesundheitsversammlung im Jahre 2021, zur Schaffung eines zwischenstaatlichen Verhandlungsgremiums (INB) zur Erarbeitung und Aushandlung eines WHO-Abkommens, Übereinkommens oder einer sonstigen internationalen Übereinkunft zur Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion, zur Annahme unter Artikel 19 oder anderen Bestimmungen der WHO-Verfassung, wie es das INB für jeweils sinnvoll erachtet. Wir verpflichten uns, diesen globalen Prozess zu unterstützen, um sein übergeordnetes Ziel zu verwirklichen. Darüber hinaus erkennen wir den Wert der IGV [Internationale Gesundheitsvorschriften] als Rechtsrahmen für die globale Gesundheitssicherheit an. Insbesondere unterstreichen die IGV die Rolle, die nationalen Vorsorge- und Reaktionskapazitäten in Bezug auf die Fähigkeit der Welt, grenzüberschreitende gesundheitliche Notlagen wirksam zu bekämpfen, zukommen kann. Daher unterstützen wir die Stärkung der IGV mittels gezielter Änderungen bzw. Ergänzungen in einem inklusiven Prozess gemäß der Empfehlung im Bericht der Working Group on Strengthening WHO Preparedness and Response to Health Emergencies (WGPR), der auf der 75. WHA [die Weltgesundheitsversammlung, die gerade stattfindet] geprüft werden soll.“
Zugleich stellt sich ein Legitimationsproblem für die Umsetzung solch weitreichender und beispielloser Maßnahmen, die auf eine Gleichschaltung der Politik aller Länder und eine Unterordnung unter vermeintlich unabhängige Experten hinausläuft: Corona ist „vorbei“, die Zahl der Toten und Erkrankten wirkt wenig bedrohlich, es ist Frühling, die Welt „atmet auf“, Beschränkungen werden überall gelockert. Eine weitere Verschärfung und Zentralisierung der Kontrolle ist derzeit kaum vermittelbar. In dieser Situation taucht nun ein neues, bedrohliches Virus gleichzeitig in mehreren Ländern des Westens auf. Ein Pandemievertrag und verschärfte Eingriffsrechte der WHO erscheinen unter diesen Umständen wieder plausibler, insbesondere, sofern die neue Krise sich demnächst weiter zuspitzt.
Auftritt der Affenpocken
Los ging es mit dem neuen Virus am 7. Mai, vier Tage nach Erscheinen von Gates´ Buch und zwei Wochen vor Beginn der WHO-Beratungen. Die WHO meldete:
„Am 7. Mai 2022 wurde die WHO über einen bestätigten Fall von Affenpocken bei einer Person informiert, die aus dem Vereinigten Königreich nach Nigeria reiste und anschließend in das Vereinigte Königreich zurückkehrte. (…) Seit dem 11. Mai wurde eine umfangreiche Kontaktsuche durchgeführt, um exponierte Kontaktpersonen im Gesundheitswesen, in der Gemeinde und auf dem internationalen Flug zu identifizieren. Diese Personen werden 21 Tage lang ab dem Datum des letzten Kontakts mit dem Fall weiterverfolgt. Bislang hat niemand kompatible Symptome gemeldet. Da der Fall sofort isoliert und die Kontaktpersonen ermittelt wurden, ist das Risiko einer Weiterverbreitung im Vereinigten Königreich minimal. Da jedoch die Infektionsquelle in Nigeria nicht bekannt ist, besteht weiterhin das Risiko einer Übertragung in diesem Land.“
In Deutschland zitierte der Bayerische Rundfunk am 20. Mai den Mediziner Norbert Brockmeyer mit den Worten, „dass wir in Deutschland eine Riesenpopulation haben, die nicht gegen Pocken geimpft worden ist – insbesondere im sexuell aktiven Alter“, weshalb das Potenzial an Infektionen deutlich größer sei als noch vor 20 Jahren. Eventuell müsse man daher Pockenimpfungen in Erwägung ziehen. Am gleichen Tag wurde der erste Affenpocken-Fall in Deutschland gemeldet. Rätselhaft blieb dabei die Übertragung, wie die Deutsche Welle berichtete:
„Die Gesundheitsbehörden rätseln, wie das Virus übertragen wurde. (…) Beim ersten aufgetretenen Fall vor etwa zwei Wochen konnten die britischen Gesundheitsbehörden den Ursprung leicht zurückverfolgen, da der Patient das seltene Virus offenbar von einer Nigeria-Reise mitgebracht hatte. Wesentlich schwieriger gestaltet sich die Rückverfolgung bei vier neueren Fällen, weil die betroffenen Männer zuvor nicht nach Afrika gereist waren und auch nicht in Kontakt zu den anderen Fällen gestanden hatten. Die Gesundheitsbehörden suchen jetzt intensiv nach den mysteriösen Verbindungen zwischen den Fällen, da die Affenpocken-Viren nicht sonderlich leicht übertragen werden.“
Hellsichtige Pandemieübungen
Am 19. Mai übten außerdem die G7-Gesundheitsminister einen „Leoparden-Pocken“-Ausbruch. Karl Lauterbach merkte dazu an, WHO und RKI hätten dieses Übungsszenario „seit Monaten vorbereitet“.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die internationale Pandemieübung „Atlantic Storm“ aus dem Jahr 2005, deren Szenario damals wie folgt lautete:
„Eine informelle Gruppe internationaler Führer sollte sich am 14. Januar 2005 in Washington, DC, zu einem ‚Transatlantischen Sicherheitsgipfel‘ zur internationalen Zusammenarbeit bei der Vorbereitung auf und Reaktion auf den Terrorismus mit Massenvernichtungswaffen treffen. Am Vorabend des Gipfels stellte sich heraus, dass Menschen aus mehreren europäischen Ländern mit Pocken infiziert waren. Vor der Rückkehr in ihre Heimatländer zur Bewältigung der Krise vereinbarten die versammelten Staats- und Regierungschefs, ein Dringlichkeitstreffen einzuberufen, um die Schritte zu erörtern, die die transatlantische Gemeinschaft unternehmen könnte, um auf die Krise zu reagieren. Die Übung wurde entwickelt, um in Echtzeit in der realen Welt vom 14. Januar 2005 ausgeführt zu werden. (…) Methode der Pockenangriffe: Es wurden Vorräte des Variola-Major-Virus (der Erreger der Pocken) von Al-Jihad Al-Jadid aus einer Biowaffenfabrik in der ehemaligen Sowjetunion beschafft. Die Al-Jihad Al-Jadid-Wissenschaftler erhielten eine mikrobiologische Ausbildung an indischen und US-amerikanischen Universitäten. (…) Die Angriffe wurden von geimpften Terroristen durchgeführt, die während der Spitzenauslastungszeit mehrere Stunden durch die Zielorte gingen. Ein in einem Rucksack versteckter handelsüblicher Trockenpulverspender in der Größe eines kleinen Feuerlöschers diente zur Verbreitung.“
Pocken waren in den letzten 25 Jahren immer wieder eine fixe Idee der Drehbuchautoren von Pandemieübungen gewesen. Schon im Frühjahr 1998 hatten sich 40 Vertreter verschiedenster US-Behörden in Washington getroffen und ein Szenario durchgespielt, demzufolge Terroristen in Kalifornien einen modifizierten Pockenvirus verbreitet hatten, für den es keine Behandlungsmöglichkeiten gab. Bei einer weiteren Übung 1999 griffen laut Drehbuch nicht näher beschriebene Terroristen mit Pockenviren eine amerikanische Stadt an. Der siebenseitige Plan sah in allen Details den Ablauf der Krise über einen Zeitraum von zwei Monaten voraus. Bei der Übung „Dark Winter“ im Juni 2001 ging es abermals um einen Pockenanschlag. Schon damals wurde im Abschlussbericht gefragt, ob man eventuell Gesetze brauche, um „gefährliche Informationen zu verbieten“, da „Falschinformationen“ über den Pockenausbruch im Internet auftauchen würden.
2017 warnte dann Bill Gates auf der Münchner Sicherheitskonferenz:
„Die nächste Epidemie könnte auf dem Computerbildschirm eines Terroristen entstehen, der mit Hilfe von Gentechnik eine synthetische Version des Pockenvirus oder einen extrem ansteckenden und tödlichen Grippeerreger erzeugen will.“
Vier Jahre später, im März 2021 wurde in Zusammenarbeit mit der Münchner Sicherheitskonferenz genau das geprobt: eine „tödliche, globale Pandemie“ mit einem „ungewöhnlichen Stamm des Affenpockenvirus“, der in einem Labor „künstlich hergestellt“ und dann „auf überfüllten Bahnhöfen“ absichtlich verbreitet wird. Die Pandemie dauert laut Drehbuch 18 Monate. Das Übungsszenario endet mit „mehr als drei Milliarden Fällen und 270 Millionen Todesfällen“.
Zu den Teilnehmern gehörte unter anderem Chris Elias, bei der Gates Foundation Präsident der Abteilung für „Globale Entwicklung“, der auch schon an „Event 201“, der Übung, die die Corona-Pandemie vorwegnahm, teilgenommen hatte und der seit mehreren Jahren die deutsche Bundesregierung berät. Laut den Übungsunterlagen aus dem Jahr 2021 beginnt die (fiktive) Affenpocken-Pandemie am 15. Mai 2022.
Medikament ist schon da
Passenderweise gibt es auch schon ein Heilmittel für die Affenpocken, das seit Anfang 2022 in der EU zugelassen ist. Der Hersteller SIGA Technologies steht zur Zeit in Verhandlungen mit zahlreichen Regierungen. Das Unternehmen arbeitet nach eigenen Worten sehr eng mit verschiedenen US-Behörden zusammen. Im Vorstand sitzt Jaymie Durnan, einer der vormals engsten Mitarbeiter von Donald Rumsfeld und Paul Wolfowitz im Pentagon.
Das Zusammentreffen all dieser Ereignisse, denen sämtlich eine monatelange Planung vorausging, im Mai 2022 kann ein Zufall sein. Das ist nicht ausgeschlossen. Sehr wahrscheinlich wirkt diese Annahme aber nicht.
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