Sepp Holzer: «Bauern sind Sklaven auf dem eigenen Hof»
Poltern kann er auch mit 82 Jahren noch. Anlässlich seines neuen Buches «Agrarrebellion jetzt!» sprach ich mit dem bekannten Bergbauern aus Österreich über die Bauernproteste und was Bauern heute anders machen sollten.
Das Interview ist am 16.01.2024 im Zeitpunkt erschienen. Wir danken der Redaktion dafür, es auch auf wirsindmedien.de veröffentlichen zu dürfen.
Sepp Holzer, heute 82, übernahm mit 19 Jahren den elterlichen Bergbauernhof im Lungau im Bundesland Salzburg – auch als Kälteloch oder «Sibirien Österreichs» bekannt. Der junge und streitbare Bauer begann mit seiner Frau Veronika in den 60er-Jahren ganz intuitiv etwas, was viel später als «Permakultur» weltbekannt werden sollte: eine ganzheitliche Mischkultur, ein Biotop aus verflochtenen Symbiosen. Und das auf 1100 – 1500 m Seehöhe. Er las «im Buch der Natur», wie er nicht müde wird zu erklären, und fand heraus, dass auch in diesen widrigen Umständen ohne Kunstdünger und Pestizide ein sehr gutes Auskommen war. Seen und Teiche auf Berghängen, Mischwälder statt Fichtenwüsten, üppige Ernten von Obst, Kräutern und Gemüse, artgerecht gehaltene, tatsächlich glücklich wirkende Nutztiere.
Vertretern von Landwirtschaftskammern und Behörden drohte er manchmal Prügel an und jagte sie vom Hof: Er blieb stur und liess sich nicht dreinreden. Der Erfolg gab ihm recht: Sein Krameterhof, den inzwischen sein Sohn Josef Holzer übernommen hat, wirft seit Jahrzehnten ohne jegliche Subvention Gewinne ab und zieht an vielen Wochenenden Hunderte Interessierte an. Jetzt schrieben Sepp und Josef Holzer zusammen ein neues Buch: «Agrarrebellion jetzt!».
Darin legen sie nieder, wie ein echter Bauernaufstand aussehen könnte: Indem sich die Landwirte ganz von der Industrie und der Bürokratie abkoppeln - und mit der Natur kooperieren!
"Eine Subvention ist keine Förderung. Das ist eine teilweise Schadensabgeltung einer verfehlten Agrarpolitik. Und dieses geschenkte Geld hat die Bauern süchtig gemacht."
"Die Natur ist meine Förderung. Wenn ich es so bewirtschafte, wird die Natur für mich arbeiten. Die Vielfalt arbeitet Tag und Nacht für mich."
"Wenn der Bauer nicht mit der Natur geht, dann geht sie auch nicht mit ihm."
"Die Bauern haben aber gelernt, immer nur zu fragen: Wie kann ich in kürzester Zeit am meisten herausholen."
Dagegen kann man was tun: das Wasser auf dem Land halten, nicht abführen! Das hat man vor über hundert Jahren schon gemacht, durch Teiche und Gräben. Heute hat man dazu aber viel mehr technische Möglichkeiten. Jetzt kann man grossflächig in den verschiedenen Zonen Retentionsbecken anlegen – ein, zwei oder wie viele notwendig sind, damit der Boden das Regenwasser aufnehmen kann. Wenn es dann im Sommer nicht mehr regnet, ist noch genug Feuchtigkeit für das Wachstum vorhanden. Denn ich mache die Teiche anhand der Höhenlinien so, dass das Wasser in trockenen Zeiten zwar sinkt, aber nie ganz leer wird. Heute haben wir auf dem Krameterhof ein verbundenes System mit 30-40 Teichen. Das bringt Wachstum und Vielfalt, ein regelrechtes Paradies.
Zeitpunkt: Sie haben oben auf dem Berg, wo ansonsten Almen sind, 30-40 Teiche angelegt – wo kommt das Wasser denn her?
Sepp Holzer: Das Wasser kommt vom Himmel! Das Niederschlagswasser muss in den Boden einsickern können. Die Teiche sind alle ohne Folie oder Beton. Durch die Feuchtigkeit entwickelt sich das Bodenleben und Humus. Und je mehr Humus ich habe, desto grösser ist die Speicherwirkung. Dann rauscht kein Regen mehr ins Tal, spült mir den Boden aus und wäscht die Nährstoffe weg.
Die Bauern haben aber gelernt, immer nur zu fragen: Wie kann ich in kürzester Zeit am meisten herausholen an Mais oder Weizen oder was auch immer? Dadurch geschehen all die Fehler. Dann streuen sie Kunstdünger, die sind salzhaltig, und das Salz macht das ganze Bodenleben kaputt. Die Regenwürmer und alle anderen Kleinstlebewesen verschwinden. Wenn das alles tot ist, wird der Boden hart und fest, das Wasser kann nicht mehr einsickern. Der wenige verbleibende Humus wird weggeschwemmt und landet auf den Strassen und Bächen, dann werden die Flüsse braun und der Boden verarmt. Das sieht man bei jedem Regen. Wie kann man so blöd sein, dass man das nicht kapiert: Die Böden werden immer magerer, immer weniger wächst.
Die Bauern machen das mit, weil ihnen das von Seiten der Kammer, der Genossenschaft so gesagt wird. Sie laufen ihnen nach und vergessen, dass sie das ändern können.
Zeitpunkt: Jetzt nochmal: Wie?
Sepp Holzer: Indem sie anfangen, die Flächen zu renaturieren, die sie kaputtgemacht haben, und statt dessen Retentionsbecken aufbauen. Dann können sie Vielfalt anpflanzen. Ob sie sich dann für Tierhaltung entscheiden oder Getreide, Kräuter oder Gemüse haben, das ist dann ihnen überlassen. Oder zum Beispiel für einen essbaren Wald, leicht bewirtschaftbar.
Zeitpunkt: Dafür kriegt aber niemand eine Förderung.
Sepp Holzer: Ich brauche keine. Die Natur ist meine Förderung. Wenn ich es so bewirtschafte, wird die Natur für mich arbeiten. Die Vielfalt arbeitet Tag und Nacht für mich. Schauen, beobachten, lesen in der Natur – lernen, wie es einfacher geht.
Mehr über das Buch: «Agrarrebellion jetzt» von Sepp Holzer und Josef Holzer
Mehr über das Buch «Wüste oder Paradies» von Sepp Holzer und Christa Dregger
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Über den Autor
Christa Dregger-Barthels (auch unter dem Namen Leila Dregger bekannt). Redaktionsmitglied des Zeitpunkt, Buchautorin, Journalistin und Aktivistin. Sie lebte fast 40 Jahren in Gemeinschaften, davon 18 Jahre in Tamera/Portugal - inzwischen wieder in Deutschland. Ihre Themengebiete sind Frieden, Gemeinschaft, Mann/Frau, Geist, Ökologie.
Weitere Projekte:
Terra Nova Plattform: www.terra-nova.earth
Terra Nova Begegnungsraum: www.terranova-begegnungsraum.de
Gerne empfehle ich Ihnen meine Podcast-Reihe TERRA NOVA:
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Darin bin ich im Gespräch mit Denkern, Philosophinnen, kreativen Geistern, Kulturschaffenden. Meine wichtigsten Fragen sind: Sind Menschheit und Erde noch heilbar? Welche Gedanken und Erfahrungen helfen dabei?
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